Ecuador liegt an der Westküste Südamerikas. Rund 18 Millionen Menschen leben hier – im Vergleich zu etwa 83 Millionen in Deutschland.
Trotz seiner vergleichsweise geringen Größe vereint das Land auf engem Raum eine erstaunliche Fülle an Landschaften, Lebensweisen und Traditionen: von den schneebedeckten Gipfeln der Anden über den tropischen Regenwald bis hin zur Pazifikküste.
Menschen unterschiedlichster Herkunft und Geschichte prägen Ecuador ebenso wie ein starkes Gemeinschaftsgefühl und eine tiefe Verbundenheit mit der Natur.
Diese Vielfalt macht das Land einzigartig – und bringt zugleich Herausforderungen mit sich, die den Alltag vieler Menschen bestimmen und Ecuador immer wieder vor neue Aufgaben stellen.
Ecuador lässt sich in vier Regionen gliedern: die Küstenregion (Costa), die Andenregion (Sierra), das Regenwaldgebiet (Selva) und die Galápagos-Inseln. Jede dieser Regionen hat ihre eigenen Besonderheiten, klimatischen Verhältnisse und Herausforderungen.
An der Küste (Costa) ist das Klima ganzjährig warm. In dieser Region lebt fast die Hälfte der Bevölkerung Ecuadors, und hier liegt auch die Metropole Guayaquil, das wirtschaftliche Zentrum des Landes.
In den Anden (Sierra), dem Hochland Ecuadors, leben rund 45 Prozent der Menschen. Die Region ist geprägt von der Kultur und den Traditionen der indigenen Völker, etwa der Quechua. Die Kleidung, Sprache und Rituale der Menschen in dieser Region zeugen von einer tief verwurzelten Kultur, deren Ursprünge weit vor die spanische Kolonialzeit zurückreichen. Hier liegt auch die Hauptstadt Quito, die in über 2.800 Metern Höhe inmitten majestätischer Vulkane thront und für ihr koloniales Erbe ebenso bekannt ist wie für ihr lebendiges Stadtleben.
Im ecuadorianischen Regenwaldgebiet (Selva) lebt nur ein geringer Teil der Bevölkerung viele von ihnen in indigenen Gemeinschaften, die in enger Verbundenheit mit der Natur leben und ihre Sprachen und Traditionen bis heute bewahren. Die Region beherbergt eine beeindruckende Tier- und Pflanzenwelt.
Die Stadt Puyo, bekannt als „Puerta a la Amazonía Ecuatoriana“ – das Tor zum ecuadorianischen Amazonasgebiet –, markiert den Übergang in dieses weit verzweigte Regenwaldgebiet, das wegen seiner Bedeutung für das Weltklima auch als „die Lunge der Erde“ bezeichnet wird.
Zu Ecuador gehören außerdem die Galápagos-Inseln, eine Inselgruppe im Pazifik. Dort leben Tierarten, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt. Die Pflanzen- und Tierwelt und auch die Artenvielfalt dort ist so besonders, dass die Inselgruppe zum UNESCO-Weltnaturerbe zählt.
Mit ihren faszinierenden Landschaften – von den Galápagos-Inseln über Küste und Hochland, bis zum Regenwald – zählt Ecuador zu den artenreichsten Ländern der Erde. Bekannte Tiere sind etwa die Riesen-Galápagos-Schildkröte oder der Blaufußtölpel mit seinen charakteristischen blauen Füßen, Alpakas und Vicuñas in den Anden, oder das Faultier, der Jaguar und die Aras.
Die indigenen Völker der Anden und des Amazonasgebiets leben in einer tiefen, spirituell geprägten Beziehung zur Natur. Für sie sind Wald, Wasser, Tiere, Luft und Pflanzen keine getrennten Elemente, sondern Teil eines großen Ganzen – Pachamama, der „Mutter Erde“.
Der Mensch versteht sich nicht als ihr Herr, sondern als Teil von ihr – in gegenseitiger Abhängigkeit und Verantwortung.
Diese Sichtweise wird als Kosmovision bezeichnet (vom spanischen Cosmovisión). Sie beschreibt die Weltanschauung vieler indigener Gemeinschaften Lateinamerikas, in der das Leben als Einheit von Natur, Mensch verstanden wird.
In Ländern wie Ecuador und Bolivien hat dieses Denken sogar Eingang in die Verfassung gefunden – die Natur besitzt dort einen eigenen rechtlichen Status.
Die Kosmovision verbindet religiöse, gesellschaftliche und ökologische Aspekte miteinander. Sie ist Ausdruck eines Weltbildes, das Respekt, Gleichgewicht und Harmonie mit der Umwelt in den Mittelpunkt stellt.
Pachamama wird geachtet, gepflegt und gefeiert – als lebendige Mitwelt, nicht als bloße Ressource.
Ein Gedanke, der auch in der globalen Diskussion über Nachhaltigkeit und Schöpfungsverantwortung wieder an Bedeutung gewinnt – etwa in der Idee der Casa Común, unseres gemeinsamen Hauses Erde.
Buen Vivir bedeutet auf Spanisch „Gutes Leben“ – und steht für ein alternatives Lebenskonzept, das in den letzten Jahren im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung internationale Beachtung gefunden hat. Seine Wurzeln liegen in den indigenen Kulturen der Andenregion, insbesondere in Ecuador, Bolivien und Peru.
Der ecuadorianische Wirtschaftswissenschaftler und Politiker Alberto Acosta Espinosa (*1948) hat viel über das Konzept geforscht und geschrieben und entscheidend dazu beigetragen, dass Buen Vivir im Jahr 2008 in die Verfassung Ecuadors aufgenommen wurde.
Seitdem ist das Recht auf ein gutes Leben dort als Staatsziel in der Präambel verankert.
Im Gegensatz zu wachstumsorientierten Entwicklungsmodellen stellt Buen Vivir das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur, eine solidarische Wirtschaft, eine soziale Gleichheit und zivilgesellschaftliche Partizipation in den Mittelpunkt. Es steht also für gegenseitige Verantwortung, Solidarität und soziale Gerechtigkeit – und für ein Leben, das nicht auf individuellen Wohlstand, sondern auf Harmonie beruht.
Ein gutes Leben kann nur gelingen, wenn Mensch und Natur im Einklang stehen. Für viele indigene Völker Südamerikas ist das seit Jahrhunderten gelebte Realität: Die Natur wird nicht als Ressource gesehen, sondern als Trägerin von Rechten – als Teil des Lebens, mit dem der Mensch untrennbar verbunden ist.
Der Human Development Index (HDI) stuft Ecuador derzeit auf Platz 88 von 193 Ländern ein – zum Vergleich: Deutschland liegt auf Platz 5. Der HDI gilt als Index der menschlichen Entwicklung und dient als internationaler Wohlstandsindikator. Im Unterschied zu rein wirtschaftlichen Kennzahlen berücksichtigt er nicht nur das Einkommen, sondern auch die Lebenserwartung, den Zugang zu Bildung und das Niveau der Gesundheitsversorgung.
Damit trägt der HDI der Erkenntnis Rechnung, dass Wohlstand weit mehr ist als materieller Besitz. Er spiegelt wider, wie Menschen leben, lernen und sich entfalten können. Der HDI ist damit eine Möglichkeit, unter Einbezug all dieser Faktoren die „Entwicklung“ eines Landes ab zu bilden und einzustufen.
In Ecuador leben 4,7% der Bevölkerung in extremer Armut. Das heißt, sie haben weniger als 2,15 US-Dollar (KPP) täglich zum Leben. Der Anteil der Menschen, die unterhalb der nationalen Armutsgrenze leben, ist deutlich höher: er liegt sogar bei 28%. Das zeigt, dass sich viele Familien im Alltag sorgen müssen, ob sie genug Essen für ihre Kinder haben, oder die Kosten für die Schulbildung aufbringen können.
Nur 14,86% der Bevölkerung haben eine soziale Absicherung, das heißt im Umkehrschluss 85,14% habe keine (Weltbank: globale Entwicklungsdaten). Sie leben mit der Unsicherheit, dass sie nicht abgesichert sind, wenn sie krank werden, sich um einen kranken Angehörigen kümmern müssen oder auch unvorhergesehene Ereignisse, wie die Corona-Pandemie, auf sie zu kommen. Dazu kommt, dass 48,49% der Erwerbsbevölkerung in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. (Im Vergleich dazu Deutschland: bei 4,65%).
Der Gini-Koeffizient liegt in Ecuador bei 44,6 (im Vergleich dazu Deutschland: 32,4). Der Gini-Koeffizient beschreibt die Ungleichheit innerhalb eines Landes beziehungsweise einer Gesellschaft. Das bedeutet, wie gleich oder ungleich das Einkommen und damit auch Chancen innerhalb einer Gesellschaft verteilt sind. Ein Gini-Koeffizient von 44,6 ist recht hoch und es lässt sich daraus ableiten, dass das Einkommen und auch die Chancen innerhalb der ecuadorianischen Gesellschaft ungleich verteilt sind.
Die Kennzahlen zum Thema Nahrungssicherheit zeigen, dass 13,9% der Bevölkerung unterernährt sind. Zudem leiden 4,9% der Kinder unter 5 Jahren an Untergewicht. 12,7% der Bevölkerung leben in stark ernährungsunsicheren Haushalten.
Solche internationalen Messzahlen zur Entwicklung können natürlich nur einen Durchschnitt angeben und nicht die genaue Lebenssituation einzelner Familien abbilden. Sie zeigen aber einen Trend an und machen - im Falle Ecuadors - deutlich, dass die Menschen in Ecuador mit Umständen in ihrem Alltag zu kämpfen haben, die für viele von uns gar keine Themen sind. Hunger, Armut, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, hohe Ungleichheit in der Gesellschaft - all das sind Faktoren, die dazu führen, dass es ecuadorianische Kinder und Jugendliche im Vergleich zu deutschen schwerer haben, eine stabile Grundlage für ihr Leben zu schaffen.
Quellen: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Weltbank: globale Entwicklungsdaten zu Ecuador, Human Development Report 2025, Sustainable Development Report.
Ecuador hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Drogenumschlagplatz in der Region entwickelt. Szenen, die vor einigen Jahren nur aus den Nachrichten aus benachbarten Ländern, wie Kolumbien oder Mexiko, bekannt waren, sind nun in Ecuador Realität. Dies betrifft vor allem die Küstenregion des Landes und damit Guayaquil, aber auch Santo Domingo, wo unsere Patenschaftsprogramme und andere Projekte angesiedelt sind.
Damit einhergehend hat das Land in den letzten Jahren mit einer extrem gestiegenen Gewalt zu kämpfen. Schusswechsel vor der Haustür, sich gegenseitig bekämpfende Drogenbanden, Schutzgelderpressungen, das Anwerben von Kindern und Jugendlichen für die Drogenbanden, Entführungen und Ermordungen von Familienmitgliedern sind trauriger Alltag für sehr viele Kinder und Familien aus unseren Projekten geworden.
Von der Wiederwahl des Präsidenten Noboa Anfang des Jahres 2025 hatten sich viele Ecuadorianerinnen und Ecuadorianer ein hartes Durchgreifen gegen die Drogenbanden erhofft und ein Ende der ausufernden Gewalt. Doch geändert hat sich bisher nur sehr wenig.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) schreibt, dass in Ecuador „vor allem im Gesundheits- und Bildungsbereich (…) großer Investitionsbedarf (herrscht), der aufgrund der Haushaltskrise und hohen Staatsverschuldung nicht ausreichend gedeckt wird“. Für viele Familien ist es nicht möglich, ihre Kinder auf eine Schule zu schicken. Sie leben entweder in sehr prekären Verhältnissen oder in einem Umfeld ausufernder Gewalt, das den Alltag der Familien stark einschränkt und viele traumatische Erfahrungen hinterlässt.
Das spiegelt sich auch im Monitoring zum Nachhaltigkeitsziel "Bildung", dem SDG 4, wider: Der Trend im Bereich umfassende Bildung in Ecuador für alle geht nach unten. (siehe: Sustainable Development Report)
Ein weiteres Thema, das alle Menschen in Ecuador immer wieder beschäftigt, ist die nun seit mehr als einem Jahr andauernde Energiekrise.
Ganz konkret wirkt sich das natürlich auch im Alltag aus: wenn der Strom ausfällt, gibt es kein elektrisches Licht, Hausaufgaben müssen mit Kerzenlicht oder Taschenlampen gemacht werden, die Arbeit am Computer muss unterbrochen werden, Fabriken stehen still, die Arbeiter werden nach Hause geschickt, Büros geschlossen, das Internet fällt aus und am gravierendsten: der Kühlschrank funktioniert nicht. Lebensmittel, die für mehrere Tage gekauft wurden, verderben, wenn der Strom nicht rechtzeitig zurückkommt.
Die Menschen behelfen sich mit Taschenlampen und, wenn möglich, mit benzinbetriebenen Stromgeneratoren. So versuchen auch Einkaufszentren, Restaurants oder Läden ihr Geschäft am Laufen zu halten.
Um Strom zu sparen, schaltete die Regierung den Strom für die Haushalte geplant ab. Das konnte zwei bis 14 Stunden dauern. Gründe für die Energiekrise gibt es mehrere: Als wichtigster Grund wird immer die extreme Dürre aus dem Jahr 2024 genannt. Ecuador bezieht 80% seines Stroms aus Wasserkraftwerken. Flüsse und Stauseen trockneten in diesem Jahr aus und ließen die Wasserkraftwerke still stehen. Im April 2024 fiel die größte Talsperre des Landes, der Mazar-Stausee, aus und führte zum Kollaps in der Energieversorgung des Landes. Mängel im Wasser- und Energiesektor, wie ineffiziente Techniken bei der Energieübertragung und ein damit einhergehender immenser Energieverlust, Konstruktionsfehler in den Kraftwerken, gab es vorher schon, doch durch die extreme Dürre kamen sie eklatant zum Vorschein.
Mittel- bis langfristig plant die Regierung von Präsident Noboa in erneuerbare Energiequellen zu investieren und sowohl öffentliche als auch private Investitionen sowie KnowHow aus dem Ausland zu holen. So das Versprechen im Wahlkampf. Um die Energiesicherheit des Landes kurzfristig wieder herzustellen, setzt die Regierung wieder auf fossile Brennstoffe.
Seit einigen Monaten konnte die Stromversorgung so wieder vorübergehend sicher gestellt werden. Doch wie langfristig das ist, bleibt abzuwarten.